Pfarrkirche St. Johannes

Eine lange Geschichte

Topographie

Die Donau ist nicht weit weg.

Die Donau ist nicht weit, im Übergang des Donautals von den tiefer gelegenen Flussauen hinan zum Gäuboden mit seinen fruchtbaren Lössböden liegt das Pfarrdorf Ittling, heute Stadtteil der niederbayrischen Herzogs-und Residenzstadt Straubing, die seit jüngster Vergangenheit den Titel „Universitätsstadt“ mit nicht unberechtigtem Stolz trägt. Ittling jedoch mit seinen einstigen Ortsteilen Oberöbling, Unteröbling, Rohrhof, Hofstetten und Eglsee wohnt in Grundzügen fast noch ein ländlich-bäuerliches Gepräge inne, wenngleich weitläufige Wohnsiedlungen und sich immer mehr ausdehnende Industriegebiete samt Donauhafen von der unmittelbaren Nähe zur prosperierenden Gäubodenstadt zeugen.

Der weite Blick auf den Horizont geht Richtung Norden und Osten auf die weitläufig-markanten Berge des Bayrischen Waldes, unter denen der Bogenberg, der „Heilige Berg“ Niederbayerns, deutlich hervortritt und wird nach Süden hin begrenzt durch die sanften Erhebungen des tertiären Hügellandes.

Geschichtliches

Seit 737 in den Schriften verankert.

Die Anfänge der Pfarrei Ittling weisen weit zurück in die Vergangenheit. Wie bei fast allen mit „ing“ endenden Ortsnamen ist ein bajuwarischer Ursprung sicher anzunehmen. Der Name „Ittling“ leitet sich vom Namen des Bajuwarenherzogs Odilo her, der 737-748 regierte. Durch eine Tauschurkunde aus dem Jahre 906 wurde Ittling Besitz des einst sehr begüterten Klosters Niederaltaich und somit zugleich erstmals urkundlich erwähnt. 

Es ist kaum vorstellbar, dass eine Ortschaft in Klosterbesitz ohne Kirche geblieben wäre. Die derzeitige Pfarrkirche St. Johannes ist der langen Historie der Pfarrei gegenüber ein vergleichsweise junger Sakralbau. Nachdem 1841 der aus dem Jahr 1673 stammende Vorgängerbau infolge eines gewaltigen Brandes ein Raub der Flammen wurde, konnte nach einer mühevollen Dekade der Provisorien und vergeblicher Versuche des Wiederaufbaus der Brandruine schließlich am 8. September 1850 die neue Pfarrkirche durch den damaligen Regensburger Diözesanbischof Valentin von Riedel geweiht werden. Erbaut wurde sie nach den Plänen des Architekten und „Bayerischen Civilbaubeamten“ Leonhard Schmidtner aus Landshut, der für die Gestaltung einer ganzen Reihe von Sakralbauten Niederbayerns in der damals gängigen Bauart des sogenannten Historismus verantwortlich zeichnete. Nachdem Barock und Rokoko in ihrer überschäumenden Kraft erschöpft waren und einer eher nüchternen, nach kirchlicher Sichtweise fromm-puristischen Geisteshaltung wichen, orientierte man sich zu jener Zeit an den historischen Baustilen des Mittelalters, der Romanik und der Gotik. Sie galten als Epochen, in denen die Welt noch mehr „in Ordnung“ schien. Charakteristischen mittelalterlichen Stilelementen, besonders dem romanischen Rundbogen, begegnen wir bei näherer Betrachtung der Ittlinger Pfarrkirche vielfach.

Bauwerk

Fast 40 Meter ragt der Turm nach oben.

Fast 40 Meter hoch ragt der Turm mit seinem etwas gedrungen wirkenden Spitzhelm in die luftigen Höhen des Donautals, umgreift dort förmlich ein Stück Himmel und macht ihn inmitten der Ortschaft Ittling fest. Es ist ein deutlich sichtbares Zeichen: Hier ist der Himmel auf Erden verankert. Das vergoldete Turmkreuz fängt am Morgen den ersten Sonnenstrahl über dem Gäuboden ein und verabschiedet abends den letzten: Christus, die Sonne unseres Heils, erhellt den Tag und leuchtet auch noch hinein in das Dunkel unserer Nacht.


Das wie der Turm in Blankziegelbauweise errichtete und durch Lisenen gegliederte Langhaus mit dem ausgeschiedenen Chor erhebt sich mit seinen hohen Mauern gleich einer schlanken Skulptur von Backstein über den umliegenden Gebäuden, die – den Kirchhof säumend – an die einstige mittelalterliche Ortstruktur erinnern. Damit soll zum Ausdruck kommen, wie die „Gottesstadt“ – das himmlische Jerusalem – ersteht inmitten der „Weltstadt“ Ittling. Das Sichtziegelmauerwerk gemahnt an die Berufung der Gläubigen, sich als „lebendige Steine“ einfügen zu lassen an dem geistigen Bau der Kirche.

Innenausstattung

Unsere Kirche birgt etliche Schätze!

Portalbereich

Kunst aus dem 16. Jahrhundert.

Betritt man den hohen Kirchenraum durch das eigentliche Hauptportal im Westen, kommt man vorbei an einem sehr alten und eindrucksvollen Rotmarmorepitaph des 16. Jh., das vom Geschlecht der Herren von Moosdorf stammt. 

Der oberste Abschnitt führt uns im Halbrelief im Grunde die ganze Heilsgeschichte vom Anfang der Menschheit bis zu ihrer Erlösung durch den auferstandenen und wiederkehrenden Herrn Jesus Christus vor Augen. Befreit ist der alte Mensch, repräsentiert durch Adam und Eva, durch seine Erlösungstat aus allen Banden. Christus tritt die Türen der Unterwelt nieder, er löst die Ketten der Unfreiheit und triumphiert über Sünde und Tod.

Langhaus

Gute Arbeiten des Barocks.

Das Kirchenschiff ist mit einer Holzdecke flach gedeckt. Nur geringfügig vom Mauerwerk erhabene pilasterartige Wandpfeiler, an denen Figuren von Heiligen präsentiert werden, gliedern den großzügigen Saalraum. Unter ihnen finden wir das wohl älteste Ausstattungsstück der Pfarrkirche, eine mittelalterliche Skulptur des hl. Leonhard (Attribute: Mönchsstab und Kette). Geschaffen um 1500, zeugt sie von hervorragender gotischer Bildhauerkunst. Aus der Epoche der Spätgotik stammen die Figuren der hl. Theresia von Avila (mit der Feder als Attribut) sowie der hl. Klara von Assisi (Attribut Monstranz). Gute Arbeiten des Barocks sind die Figuren der tapferen Märtyrer Florian und Sebastian, die oft als Assistenzfiguren einst die Altäre jener Epoche flankierten. Dem 19. Jahrhundert entstammt die Figur des hl. Josef.
Zwischen den Pilastern des Langhauses hängen die vierzehn Kreuzwegstationen, geschaffen um die Jahrhundertwende 19./20. Jh. Darin integriert ist ein Gemälde mit der Ölbergszene, das ebenfalls aus jener Zeit überkommen ist.
Links vom Chorbogen wird am Ort der Marienverehrung eine schöne barocke Figur der „Regina Caeli“, die mit einer Krone aus Diademen gekrönte Mutter Maria vor dem Hintergrund eines vergoldeten Strahlenkranzes präsentiert.

Gemäß einem Bild aus der Offenbarung des Johannes (Offb 12,1-2,12-13), den Mond zu ihren Füßen, auf einer Wolke schwebend in den Himmel entrückt, zeigt sie uns das göttliche Kind, das den Reichsapfel als Verweis auf seinen Anteil an der Gottesherrschaft in der Hand hält.
Rechts am Chorbogen wurde in jüngerer Zeit eine Figurengruppe mit der Taufszene Jesu angebracht, sie ist barocken Vorbildern leidlich nachempfunden. Darunter befindet sich die Ablage für das Evangeliar. Ganz in der Nähe dazu sind in einer Art Antependium die Halbrelieffiguren der vier Evangelisten neu gruppiert, die einst den neuromanischen Kanzelkorb, geschaffen um 1900, säumten.

 

Chor

In drei Joche gegliedert.

Der in drei Seiten des Oktogons schließende und in drei Joche gegliederte Chor ist von einem Kreuzrippengewölbe überzogen, das an die Bahnen der Sterne am Himmel erinnert. Hier öffnet sich der Himmel für den gläubigen Betrachter und Beter. Im Osten tun sich drei Buntglasfenster, die ganz bewusst als Tore gestaltet sind, gen Himmel auf. Sie zeigen Motive aus der Offenbarung des Johannes und öffnen unserem Blick gleichsam die Himmelstore: Im Mittelfenster hält der Pfarrpatron Johannes das apokalyptische Lamm mit der Buchrolle und den sieben Siegeln (Offb 5,1) auf seinem Arm. Christus ist das „Lamm Gottes“, das uns Gottes liebenden Willen aufschließt. Links ist die apokalyptische Frau (Offb 12), den Mond zu ihren Füßen auszumachen. Und rechts bewacht der Erzengel Michael mit dem flammenden Schwert das Himmelstor (Offb 12, 7-9); er hält alles Böse von Gottes himmlischer Welt fern. Die Torarchitektur der Glasfenster stellt einen gedanklichen Zusammenhang her mit dem himmlischen Jerusalem (Offb 21), der großen Stadt, die vom Himmel herniedergeht in die Erdenzeit.
Der Weg zur himmlischen Herrlichkeit führt jedoch am Kreuz nicht vorbei: Das ist die klare Botschaft der Position der spätbarocken Kreuzigungsgruppe, die auf einem auf der Spitze stehenden gleichschenkligen Dreiecksockel ruht, der auch den Tabernakel in sich birgt. Die bewegten Figuren des Gekreuzigten, sowie Marias und Johannes hat der bedeutende Straubinger Bildhauer Simon Hofer um 1750 geschaffen. Sie können als würdige Erweise seines kraftvoll-qualitätsreichen bildhauerischen Schaffens gelten. Der Leib des Gekreuzigten ist ungeheuer berührend, schön und vital ausgebildet, nur die Rinnsale von Blut zeugen von der Hinrichtung. Das Leben scheint nicht aus dem makellosen Körper gewichen. Es ist, wie wenn der ans Kreuz Gehenkte nur aus dem Schlaf zu erwachen brauchte, um ins Leben hinein aufzustehen. 

Es ist gut möglich, dass der Rokokobildhauer Hofer einen Anklang von Auferstehung schon hineinlegen wollte in den gekreuzigten und erhöhten Herrn. Er fordert den Betrachter förmlich dazu heraus, auf ihn zu blicken, gemäß dem Wort des Johannesevangeliums: „Und ich, wenn ich von der Erde erhöht bin, werde alle an mich ziehen.“ (Joh 12.32) Diese „attraktive“ Kraft des am Kreuzesstamm erhöhten Herrn wird deutlich an Maria und Johannes unter dem Kreuz, die ihren Blick, ja ihre gesamte Bewegung auf ihn richten und auf seine Worte hin die Urzelle der christlichen Jüngergemeinde bilden: „Siehe, dein Sohn“ – „Siehe, deine Mutter“ (Joh 19, 26f). Und aus der geöffneten Seite des Herrn strömen Blut und Wasser als Vorausbild für die Grundsakramente der Taufe und der Eucharistie. In der Ittlinger Kreuzigungsgruppe wird weniger Passion erzählt, als vielmehr die Grundaussage des Johannesevangeliums sichtbar gemacht. In der Blickachse liegen demnach auch der Zelebrationsaltar und hinter dem Kreuz, eingelassen in eine oktogonale ausgebildete Vertiefung, der Taufstein aus Donaukalk, welcher aus der historischen Ausstattung des 19. Jh. überkommen ist. 

Auf einem polygonal ausgebildeten Pfeiler ruht ein mächtiges Becken. Seine zwölf Ecken spielen an auf das auserwählte Gottesvolk, dem man durch die Taufe angehört.

Weitere Bildwerke im Chor

Eine Menge Figuren

Die Kreuzigungsgruppe flankierend wurden an den Wänden des Chorschlusses jüngst die beiden Retabel des 1968 abgebrochenen Hochaltars – geschaffen um die Jahrhundertwende 19./20 Jh. versehen mit Jugendstilelementen – positioniert. Ihre Vorderseiten verweisen auf den Ittlinger Pfarrpatron Johannes Baptist und zeigen im Halbrelief links die Taufe Jesu durch Johannes und rechts die Enthauptung des Johannes. Auf der fastenzeitlichen Seite sind eindrucksvolle Tafelbilder mit Szenen aus der Passion Jesu, Geißelung und Dornenkrönung, zu sehen. 

An zwei Pilastern des Chors stehen sich die zwei Figuren der Apostelfürsten Petrus und Paulus, aus die Stilepoche des Historismus stammend, gegenüber.
Reizvoll und originell sind große Gemälde, die im Laufe der Zeit im Chorraum aufgehängt wurden. Nächst dem Taufort befinden sich Bildwerke aus barocker Zeit: ein Gemälde mit den Früchten des Heiligen Messopfers, das auch an das Motiv der sogenannten „Sieben Zufluchten“ erinnert, sowie eine barockzeitliche wertvolle Kopie eines bekannten Bildes des genialen Pioniers der Renaissancemalerei Leonardo da Vinci.

Es erzählt in einer für da Vinci typischen Lichtführung von Maria und ihrer Base Elisabeth sowie deren Kinder Johannes und Jesus, die miteinander spielen. Interessant ist, dass der kleine Johannes bereits hier die Rolle des Vorläufers Jesu wahrnimmt, der auf ihn hindeutet. Zwei weitere große Gemälde atmen den Geist des Nazarenerstils; auf ihnen sind die Taufe Jesu sowie die Abholung des zwölfjährigen Jesus aus dem Tempel durch die „strengen“ Eltern abgebildet.
Schließlich sind dort auch die beiden Altarbilder der einstigen neuromanischen Ausstattung der Seitenaltäre zu sehen: Maria als „sedes sapientiae“, als „Sitz der Weisheit“ als Hauptmotiv mit einigen weiteren Anklängen an Bilder aus der lauretanischen Litanei und die im bäuerlichen Umfeld einst sehr verehrten „Viehpatrone“ Leonhard und Wendelin mit einer zeitgenössischen Ansicht der Ittlinger Pfarrkirche vor dem Hintergrund des Bogenbergs.

Empore

Umgestaltung 1966 bis 1968

Den Abschluss des Kirchenschiffes nach Westen hin bildet die nachträglich noch erweiterte Empore, unterteilt zwischen einem Gestühlsbereich und dem Bereich für den Kirchenchor samt der großen Weise-Orgel, erbaut 1977.
Die Brüstung der Empore wurde in jüngerer Vergangenheit mit Gemälden von Heiligen versehen, die im Kontext stehen mit kirchlichen und weltlichen Vereinen Ittlings.
1966-1968 wurde die Pfarrkirche im Sinne der Liturgiereform des II. Vatikanischen Konzils nach dem damaligen Verständnis umgestaltet. Leider hat man dabei alle Spuren der überkommenen historischen Ausstattung aus der Neoromanik beseitigt. Später verschwand auch noch das aus jener Epoche stammende Gestühl zugunsten einer „Allerweltslösung“, wie sie in vielen anderen Kirchen zu sehen ist bzw. dort inzwischen schon wieder vielfach entfernt wurde. 

Ein Versuch um das Jahr 1995, dem durch die durchgreifende Purifizierung entstandenen nüchternen Kirchenraum wieder mehr „Wärme“ und „Behaglichkeit“ zu verleihen, war gut gemeint, jedoch wenig durchdacht, mutet vordergründig an und erreicht von der formalen Qualität kaum jenes Ausstattungsniveau, das durch diese Maßnahme überwunden werden sollte. So wurde der am 10. November 1968 durch Bischof Rudolf Graber konsekrierte Zelebrationsaltar abgebrochen, um einen beweglichen hölzernen Altartisch mit geschnitzten Bildtafeln zur alttestamentlichen Opferthematik aufzustellen zu können. Zudem verwischte man die ursprüngliche bewusst gesetzte Staffelung des Bodenniveaus im Chorraumbereich. Aus dieser Ausstattungsphase stammt auch der Ambo, allseitig versehen mit geschnitzten und gefassten Relieftafeln mit Motiven aus dem Adventslied „Wachet auf, ruft uns die Stimme“. 

Die Rückenlehne des allzu wuchtig geratenen Vorstehersitzes zeigt verschiedene Gebäude der Pfarrei Ittling, über denen sich strahlenförmig göttliche Geisteskraft verteilen soll, die von der göttlichen Dreifaltigkeit ausgeht. Jüngstes Ausstattungsstück ist das ausdrucksstarke Vortragekreuz in Form einer Standarte aus Glas mit dem auferstandenen Herrn in der Mitte. Anlässlich des 500jährigen Jubiläums der Ittlinger Bogenbergwallfahrt wurde es geschaffen vom Glaskünstler Willi Poiger aus Windberg und aus Spenden von Pfarrangehörigen finanziert.

Gesamteindruck

Alleinstellungsmerkmal Sakralbau

Die Ittlinger Pfarrkirche St. Johannes kann von seiner äußeren Gestalt her als charakteristischer Bau des Historismus im 19. Jh. gelten. Sie hat damit im Straubinger Stadtgebiet als Sakralbau ein gewisses Alleinstellungsmerkmal. Im Inneren der Kirche erinnern nur noch wenige Versatzstücke an die einst geschlossene Ausstattung im Stil der Neoromanik. Jedoch wird eine stattliche Anzahl von Kunstwerken präsentiert, die einen weiten Bogen aufschlagen von mittelalterlicher Bildhauerkunst über berührende Werke aus barocker Zeit bis hinein in die Gegenwart.
In jüngster Zeit konnte der disparat anmutende sakrale Raum formal etwas beruhigt werden.

Pfarrer Stefan Altschäffel unter Mitwirkung von Norbert Hollauer und Theodor Huber

 

Fotos: Kurt Knaust, Stefan Altschäffel

 

Fotocopteraufnahme: Fritz Seidl fs Film Straubing

Die Pfarrkirche St. Johannes wurde 1850 neu gebaut, da der barocke Vorgängerbau 1841 einem gewaltigen Dorfbrand zum Opfer fiel.

Domdekan Prälat Dr. Josef Ammer hat dazu einen sehr interessanten Aufsatz verfasst, der den fast eine Dekade währenden mühsamen Weg vom Brandunglück zum Neubau präzise nachzeichnet.

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